1. Vorbemerkung

VESPA, VSP und AROPI haben bereits im Rahmen der Vernehmlassung zur USR III eine gemeinsame Stellungnahme eingereicht (nochmals in Kopie beigefügt), auf die wir auch im Rahmen dieser Stellungnahme noch ergänzend verweisen (nachfolgend: Erste Stellungnahme).

2. Patente und „vergleichbare Rechte”

a) Art. 24a, lit. c E-StHG

Als Patente gelten Europäische Patente mit Benennung Schweiz sowie Schwei-zer Patente; Art. 24a Abs. 1 lit. a und b E-StHG. Gemäss lit. c werden auch aus-ländische Patente wie folgt einbezogen:

„ausländische Patente, die den Patenten nach den Buchstaben a und b ent-sprechen.”

Der Wortlaut sollte aus zwei Gründen präzisiert werden:

Durch den vorgeschlagenen Wortlaut wären rein begrifflich ausländische Ge-brauchsmuster ausgeschlossen. Das scheint uns jedoch nicht gewollt zu sein, denn Gebrauchsmuster entsprechen hinsichtlich der nur formalen, nicht materiellen Prüfung dem Schweizer Patent. Zudem sind sie Ziff. 35 des OECD Berichts explizit genannt („utility models”) und somit auch OECD konform.

Zweitens sollte keine kumulative Entsprechung der ausländischen Patente (oder Gebrauchsmuster) mit Europäischen bzw. Schweizer Patenten erforderlich sein; die vorgeschlagene Formulierung „a und b” erscheint uns daher missverständ-lich.

Wir schlagen daher folgenden, geänderten Wortlaut vor:

„ausländische Patente und Gebrauchsmuster, die den Patenten nach den Buchstaben a und/oder b entsprechen.”

Alternativ könnten Gebrauchsmuster auch in Art. 24a Abs. 2 erwähnt werden.

b) Software

Gemäss dem erläuternden Bericht soll urheberrechtlich geschützte Software von der Patentbox ausgeschlossen sein, „namentlich aus Praktikabilitätsgründen.” Das erscheint uns im Lichte des Bestrebens, „auch in diesem hart umkämpften Segment des internationalen Steuerwettbewerbs mithalten” zu können und dabei „in erster Linie […] den von der OECD definierten Standard einzuhalten”, nicht zielführend.

Gemäss Art. 2 Abs. 3 URG sind Computerprogramme als Werke urheberrecht-lich geschützt. Auch der OECD Bericht sieht urheberrechtlich geschützte Com-puterprogramme bzw. Software in Ziff. 36 ausdrücklich vor.

Dementsprechend sind die aktuellen, bereits OECD-konformen IP Boxen bei-spielsweise in den Niederlanden, Irland, Belgien, Luxemburg und Zypern auch für urheberrechtlich geschützte Software explizit zugänglich.

Der erläuternde Bericht nennt u.a. das fehlende Register für Urheberrechte und das mangelnde Fachwissen der Steuerbehörden für die Beurteilung des Urhe-berrechtsschutzes als Gründe für den Ausschluss. Beides vermag nicht recht zu überzeugen. In keinem der vorgenannten Länder besteht ein solches Register oder ist die Einrichtung eines Registers für Urheberrechte auch nur beabsichtigt, soweit ersichtlich; auch die OECD fordert ein solches nicht. Dass in der Schweiz eine geringere Fachkompetenz in der Beurteilung von Fragen des Urheber-rechtsschutzes vorausgesetzt werden müsste, ist ebenfalls nicht ersichtlich. So sieht auch bereits der Kanton Nidwalden für seine Lizenzbox eine privilegierte Besteuerung für gewisse urheberrechtlich geschützte Werke vor (§ 57a Abs. 2 StV-NH). Insoweit kann den kantonalen Steuerbehörden durchaus zugetraut werden, mit urheberrechtlich geschützter Software steuerrechtlich adäquat um-zugehen. Allenfalls könnte noch eine Selbstdeklaration / Urheberrechtserklärung vorgesehen werden.

Es ist richtig, dass Software als solche unter dem EPÜ und dem PatG explizit vom Patentschutz ausgenommen ist; sogenannte computer-implementierte Erfindungen sind hingegen dem Patentschutz zugänglich. Software als solche mag in manchen Ländern nicht per Gesetz explizit vom Patentschutz ausgeschlossen sein; tatsächlich ist genau dies jedoch im Wesentlichen über die Rechtsprechung das Ergebnis der Anwendung der sonstigen materiellen Patentierbarkeitserfor-dernisse. Das gilt insbesondere auch für die USA: Seit dem Alice v. GLS Bank Entscheid des Supreme Court ist auch dort für Software als solche praktisch kein Patentschutz mehr zu erlangen.

Sofern in der Qualifizierung sämtlicher urheberrechtlich geschützter Software al-lenfalls ein Einfalltor für eine extensive Privilegierung erblickt werden sollte, könnte allenfalls festgelegt werden, dass lediglich innovative Software steuer-rechtlich besser gestellt werden sollte. Alternativ oder ergänzend könnte auch eine Selbstdeklaration / Urheberrechtserklärung vorgesehen werden.

Die rechtlich nicht notwendige Ausnahme von urheberrechtlich geschützter Soft-ware dürfte zweifellos zu einem erheblichen Attraktivitätsverlust der Schweizer Patentbox im internationalen Vergleich führen, gerade für eine sehr zukunftswei-sende und innovative Branche. Das sollte unseres Erachtens vermieden werden.

c) Nicht patentgeschützte Erfindungen von KMU

Nicht patentgeschützte Erfindungen von KMU sollen gemäss dem erläuternden Bericht nicht in die Schweizerische Patentbox aufgenommen werden, obschon auch diese Kategorie gemäss OECD-Standard ausdrücklich zugelassen wäre. Als Grund wird angeführt, dass es (1.) in der Schweiz vergleichsweise kosten-günstig und einfach sei, ein Patent zu beantragen; und (2.) eine staatliche Stelle zu schaffen wäre, die Erfindungen der KMU zertifizieren würde. Beides vermag letztlich nicht vollständig zu überzeugen.

Es mag zutreffen, dass es in der Schweiz noch vergleichsweise einfach und kos-tengünstig möglich ist, Patentschutz zu erlangen. Doch auch diese Schwelle ist für manches KMU durchaus schon erheblich. Eine einfache Deklaration gegen-über dem Patentamt wäre wesentlich einfacher und würde den Bedürfnissen vor allem der kleineren KMU sehr entsprechen.

Ein erfolgversprechendes Modell, das auf einer Deklaration basiert, ist bei-spielsweise in Irland implementiert worden. Eine staatliche Stelle für die Zertifi-zierung wäre nicht neu zu schaffen; diese Funktion könnte problemlos, analog zu Irland, vom IGE übernommen werden. Die vollständige Formalprüfung einer Patentanmeldung wäre, da auch keine Publikation erfolgen müsste, jedenfalls ent-behrlich und würde den Zugang zur Patentbox insbesondere für die kleineren KMU vereinfachen. Wir schlagen vor, eine solche Lösung auch für die Schweiz vorzusehen.

d) (Keine) Abschliessende Aufzählung in Art. 24a E-StHG; sonstige Rechte

Im erläuternden Bericht ist festgehalten, dass die Aufzählung in Art. 24a StHG abschliessend ist. Die Aufzählung ist zudem unseres Erachtens zu eng gefasst; siehe hierzu bereits oben, lit. b) und c). Eine derart enge und zudem abschlies-sende Aufzählung erscheint uns im Lichte der OECD nicht nötig und könnte sich auf Gesetzesebene auch rein praktisch als ein zu starres Korsett erweisen. Wir hatten daher bereits in unserer ersten Stellungnahme eine nicht-abschliessende Auflistung angeregt (a.a.O., Ziff. 2, lit. a).

Insbesondere die Note 5 (Seite 41 des OECD BerichtsFehler! Textmarke nicht definiert.), auf die in Ziff. 34 verwiesen wird, ist beachtenswert (Hervorhebung hinzugefügt):

„For this purpose, legal protection includes exclusive rights to use the IP as-set, legal remedies against infringement, trade secret law, and contractual and criminal protection against use of the IP asset or unauthorised disclo-sure of information related to the IP asset.”

Es kommen daher unseres Erachtens nicht nur die explizit in Ziff. 35 des OECD Berichts1 genannten Schutzrechte in Frage, sondern auch bspw. exklusive Li-zenzen an solchen Schutzrechten.

Wir regen daher nochmals an, auf Verordnungsebene eine nicht-abschliessende Liste vergleichbarer Rechte zu erstellen.

3. Das Zeitfenster zwischen Anmeldung und Erteilung des Schutzrechts

Gemäss Art. 1 der E-VStHG kann die ermässigte Besteuerung erst ab Erteilung des Patents oder des vergleichbaren Rechts beantragt werden.

Da auch materiell ungeprüfte Schutzrechte Gegenstand der Patentbox sein können (s.o.), ist nicht recht ersichtlich, weshalb die Erteilung bzw. Registrierung abgewartet werden muss. Die „erhebliche Unsicherheit, ob die angemeldete Erfindung tatsächlich patentiert werden wird”, besteht bei materiell ungeprüften Schutzrechten wie dem Schweizer Patent nicht. Ein Aufschub der ermässigten Besteuerung bis zur Erteilung er-scheint daher nicht gerechtfertigt und sollte entfallen.

Falls der Aufschub bis zur Erteilung beibehalten würde, wäre zu berücksichtigen, dass die Dauer des Prüfungsverfahrens bei materiell geprüften Schutzrechten durchaus gele-gentlich zehn Jahre und mehr betragen kann; und dies liegt nur sehr begrenzt im Ein-flussbereich des Anmelders. Es könnten also durchaus schon seit geraumer Zeit Ge-winne aus Patenten entstanden sein, für die das Steuersubjekt aber ohne sein Ver-schulden keine Ermässigung beantragen könnte. Erweist sich das im Nachhinein auf-grund der (späten) Patenterteilung als ungerechtfertigt, sollte eine nachträgliche Berück-sichtigung ermöglicht werden. Das erscheint uns gerade auch im internationalen Stand-ortwettbewerb wichtig und zielführend. In Art. 4(2) und Art. 6(1) E-VStHG sollte daher ergänzt werden:

„[…]; Aufwand länger zurückliegender Steuerperioden kann geltend gemacht wer-den, wenn nachgewiesen wird, dass der Zeitraum vom Prioritätstag bis zur Erteilung länger ist als 10 Jahre.”

4. Berechnung des Boxengewinns

Die Anwendung der Residualmethode ist pragmatisch und wird begrüsst.

Der Abzug von pauschal 6% der dem Produkt zugewiesenen Kosten in Art. 3(1) lit. a E-VStHG wird aufgrund von Erfahrungswerten vorgeschlagen. Er schreibt über alle Bran-chen hinweg einen „routine profit” fest, der ohne die Schutzrechte in der Patentbox er-zielbar wäre. Das erscheint uns zu wenig differenziert. Wir würden es für sinnvoll erach-ten, wenn die vorhandenen Erfahrungswerte nach Branchen gelistet würden, um der un-ternehmerischen Realität insbesondere von KMU besser Rechnung zu tragen.

Gemäss dem erläuternden Bericht soll der Abzug des Markenentgelts gemäss Art. 3(1) lit. b E-VStHG dazu dienen, den OECD-Standard insofern zu erfüllen, als dass Marken nicht für die Patentbox qualifizieren können. Somit wäre unter diesem Titel wohl derjeni-ge Teil des Kaufpreises eines Produkts zu verstehen, der aufgrund einer Marke bezahlt wird. Das ist naturgemäss extrem schwierig zu bemessen, da ein solcher Anteil nie aus-gewiesen wird. Auch hierfür sollte aber jedenfalls eine pragmatische Lösung gefunden werden. Eine einzelfallbasierte Prüfung wäre sehr aufwändig und sollte vermieden wer-den. Falls jedoch stichhaltige branchen- oder produktspezifische Anhaltspunkte vorhan-den sind, sollten diese bei der Veranlagung jedenfalls gebührend berücksichtigt werden.

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Anlage(n):

Stellungnahme der gemeinsamen Arbeitsgruppe VESPA, VSP und AROPI vom 07. September