Prise de position élaborée conjointement avec la VESPA et la VSP, adressée à Monsieur Baumer et Madame et Madame Pfammatter de la Division Principale Politique Fiscale
1. Einfachheit des Systems
Ein einfach handhabbares und unbürokratisches System würde von Nutzern vor allem auch im internationalen Standortwettbewerb sicher geschätzt. Gemäss der Botschaft des Bundesrats1 soll die Patentbox insbesondere auch den KMUs dienen. Es ist uns ein besonderes Anliegen, dass die Verordnung dieses Ziel angemessen berücksichtigt. Ins-besondere sollte gewährleistet werden, dass die administrativen Anforderungen nicht zu hoch angesiedelt werden.
a) Vereinfachtes Regime für KMUs
Es wird angeregt, für KMUs ein vereinfachtes System bereitzustellen, das insbesondere den Aufwand für die Abrechnung nach Art. 24a E-StHG2 reduziert, zu-mal ein KMU ohne unzumutbaren Aufwand kaum in der Lage sein wird, die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen im Zusammenhang mit einem Schutz-recht / einer Erfindung genau abzugrenzen. Ohnehin sollten beim „tracking and tracing“ nicht die in der Grossindustrie allenfalls üblichen Dokumentationen als Mindeststandard im Rahmen der Patentbox angelegt werden. Das würde der Realität in KMUs nicht gerecht und den Zugang für KMUs übermässig erschweren.
Ein denkbarer Ansatz läge z.B. darin, die Möglichkeit einer Abrechnung nach Art. 24a Abs. 2 E-StHG2 durch eine Pauschale (zumindest für KMUs) zu implementieren. Dass auf die Abrechnung nach Art. 24a Abs. 2 E-StHG2 verzichtet werden kann, ist mit Abs. 3 explizit vorgesehen; es muss nur sichergestellt werden, dass die Besteuerung innert fünf Jahren nach der erstmaligen Besteuerung auf andere Weise erfolgt. Die vorgeschlagene Pauschale könnte beispielsweise als prozentualer Anteil des Erfolgs aus den Patenten erhoben werden. Eine solche Möglichkeit würde für KMU jedenfalls eine erhebliche Vereinfachung darstellen, wenn nicht gar den Zugang zur Patentbox überhaupt erst ermöglichen.
b) Ausstieg aus der Patentbox
Gemäss Art. 24a Abs. 2 E-StHG2 müssen die in vergangenen Steuerperioden bereits berücksichtigten F&E-Ausgaben sowie ein Abzug nach Art. 25a E-StHG2 zum steuerbaren Reingewinn hinzugerechnet werden, und zwar bei der erstmaligen Steuerermässigung.
Falls sich jedoch kein relevanter Erfolg aus den Patenten oder vergleichbaren Rechten einstellt, könnte dies einen erheblichen Nachteil insbesondere für KMUs bedeuten: Der Vorteil des Steuerabzugs für F&E-Ausgaben wäre unwiderruflich dahingefallen. Daher wird angeregt, dass eine Ausstiegsklausel vorgesehen wird, die zumindest für einen gewissen Zeitraum (beispielsweise für die in Art. 2 24a Abs. 3 E-StHG2 genannten 5 Jahre) die Rückkehr zum Ursprungszustand ermöglicht. Das würde uns auch gut kompatibel mit der Pauschale erscheinen (siehe oben).
2. Patente und „vergleichbare Rechte“
a) Definition der vergleichbaren Rechte
Aus der Diskussion anlässlich der Anhörung haben wir verstanden, dass eine sehr breite Definition der vergleichbaren Rechte angestrebt wird. Das begrüssen wir sehr. Ein sehr breites Verständnis deckt sich auch mit den Möglichkeiten des OECD Berichts3.
Auch materiell nicht geprüfte Schutzrechte sind in Ziff. 35 des OECD Berichts3 explizit genannt (utility models) und somit OECD konform. Ein Schweizer Patent sollte daher jedenfalls Grundlage für die Patentbox sein können – unabhängig davon, ob vollgeprüft (auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit) oder nicht.
Insbesondere die Note 5 (Seite 41 des OECD Berichts3), auf die in Ziff. 34 verwiesen wird, ist beachtenswert (Hervorhebung hinzugefügt):
„For this purpose, legal protection includes exclusive rights to use the IP as-set, legal remedies against infringement, trade secret law, and contractual and criminal protection against use of the IP asset or unauthorised disclosure of information related to the IP asset.“
Es kommen also unseres Erachtens nicht nur die explizit in Ziff. 35 des OECD Berichts3 genannten Schutzrechte in Frage, sondern auch bspw. exklusive Lizenzen an solchen Schutzrechten.
Wir regen an, im Rahmen der Verordnung eine nicht-abschliessende Liste vergleichbarer Rechte zu erstellen, um die Möglichkeiten der Patentbox auch und gerade für KMUs von Anfang an transparent darzustellen.
b) Das Zeitfenster zwischen Anmeldung und Erteilung des Schutzrechts
Da auch materiell ungeprüfte Schutzrechte Gegenstand der Patentbox sein können (s.o.), stellt sich die Frage, ob zwingend die Erteilung bzw. Registrierung ab-gewartet werden muss. Das könnte als übertrieben formalistisch erscheinen. Vorstellbar wäre, dass man auch die Anmeldung eines Patents oder eines vergleichbaren Rechts bereits als Grundlage akzeptiert, vorbehaltlich der späteren Erteilung bzw. Registrierung. Wir würden das begrüssen. Sollte es später wider Erwarten doch nicht zu einer Erteilung bzw. Registrierung kommen, könnte eine Rückforderung vorgesehen werden. Im Falle eines erteilten Schutzrechts sollte eine solche Rückforderung jedoch nicht vorgesehen werden (s.u.).
Die Dauer des Registrierungs- bzw. Prüfungsverfahrens, die mehrere Jahre be-tragen kann, liegt nur sehr begrenzt in den Händen der Anmelder. Nutzer des Systems könnten es deshalb aus Gründen der Rechtssicherheit vorziehen, bis zur Erteilung des Schutzrechts zuzuwarten, bevor es in die Patentbox eingebracht wird. Es stellt sich die Frage, ob es dann nicht möglich sein sollte, eine auf den effektiven Anmelde- bzw. Prioritätstag des Schutzrechts rückwirkende Regelung vorzusehen. Das könnte bspw. an eine Deklaration des Bestehens der Anmeldung in der/den zurückliegenden Steuerperiode(n) gekoppelt werden.
c) Orphan drugs / Unterlagenschutz
In der Anhörung wurden die sogenannten „orphan drugs“ (wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten) kurz angesprochen. Es erscheint uns in diesem Zusammenhang der Hinweis wesentlich, dass orphan drugs in der Schweiz zwar vereinfacht zugelassen werden können;4 sie geniessen jedoch keine Marktexklusivität. Dies im Unterschied beispielsweise zur EU, wo orphan drugs eine 10-jährige Marktexklusivität geniessen; eine Verlängerung um weitere zwei Jahre bei paediatrischer Zulassung ist möglich.
Die Marktexklusivität ist nicht zu verwechseln mit dem sogenannten Unterlagenschutz der Zulassungsunterlagen. Gemäss dem geänderten Heilmittelgesetz wird bei Arzneimitteln für seltene Krankheiten ein Unterlagenschutz von 15 Jahren gewährt (Art. 11b, Abs. 4 E-HMG5). Dritte erhalten somit während dieser Zeit keine Einsicht und können einen eigenen Zulassungsantrag nicht auf diese Unterlagen stützen. Eine Marktexklusivität für das orphan drug an sich besteht aber nicht; Dritte könnten ohne Weiteres – und zwar ebenfalls per vereinfachter Zulassung, jedoch basierend auf eigenen Unterlagen – mit demselben orphan drug am Markt teilnehmen.
Es stellt sich somit die Frage, inwiefern es sich beim Unterlagenschutz (nicht nur bei orphan drugs, sondern grundsätzlich) um ein IP Asset gemäss dem OECD Bericht3 handelt: In Ziff. 35 ist erläutert, worum es sich bei IP Assets der ersten Kategorie („patents defined broadly“) handeln kann. Das Institut des Unterlagenschutzes gibt es auch in OECD Ländern, insbesondere in der EU; es wird aber in dem Report nicht explizit erwähnt. All den in Ziff. 35 genannten Titeln ist vielmehr gemeinsam, dass es sich um Ausschlussrechte handelt, die Marktexklusivität für ein Produkt gewährleisten („Orphan drug designations […] grant exclusive rights to the innovations.“). Das ist beim blossen Unterlagenschutz nicht der Fall. Allerdings kann der Unterlagenschutz unseres Erachtens unter den Begriff „Know-How“ subsumiert und daher als vergleichbares Recht zu Patenten betrachtet werden (siehe hierzu nachstehend, lit. d).
d) Know-How
In der Anhörung wurde kurz auch das Thema Know-How angesprochen. Know-How ist ein nicht zu unterschätzendes IP Asset von durchaus grosser Bedeutung in der täglichen Praxis. Es stellt sich die Frage, ob Know-How auch als vergleichbares Recht zu Patenten gelten kann. Es erscheint jedenfalls kein relevanter Unterschied zum Unterlagenschutz zu bestehen. Gemäss Ziff. 34 des OECD Berichts3 soll gelten (Hervorhebung hinzugefügt):
„[T]he only IP assets that could qualify […] are patents and other IP assets […] if those IP assets are both legally protected5 and subject to similar approval and registration processes, where such processes are relevant.“
Ein Genehmigungs- oder Registrierungsverfahren für Know-How gibt es in der Schweiz nicht. Solche Verfahren sind für Know-How nicht relevant. Rechtlich geschützt ist Know-How im Sinne der Note 5 (siehe Zitat oben) als Teil von Geschäftsgeheimnissen, welche etwa durch Art. 162 StGB strafrechtlich geschützt sind. Es erscheint somit jedenfalls nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Know-How als vergleichbares Recht qualifiziert. Zu definieren wäre, was Know-How ist. Ein Anhaltspunkt für eine geeignete Definition könnte der Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung sein;6 Art. 2(1) definiert Geschäftsgeheimnisse folgen-dermassen:
„Geschäftsgeheimnis“: Informationen, die alle nachstehenden Kriterien erfüllen:
a) sie sind in dem Sinne geheim, dass sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personenkreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind;
b) sie sind von kommerziellem Wert, weil sie geheim sind;
c) sie sind Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmassnahmen der Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Informationen besitzt.
e) Computerprogramme
Gemäss Art. 2 Abs. 3 URG sind Computerprogramme als Werke urheberrechtlich geschützt. Auch der OECD Bericht3 sieht urheberrechtlich geschützte Computerprogramme bzw. Software in Ziff. 36 ausdrücklich vor. Urheberrechtlich geschützte Software sollte im Rahmen der Berechnung des Erfolgsanteils gleich wie andere Schutzinstrumente behandelt werden. Ziff. 48 des OECD Berichts3 sieht vor, dass „[…] embedded income from the sale of products and the use of processes directly related to the IP asset“ stammen kann. Wir regen an, dass dies auch für Software gelten sollte.
f) Laufzeit
In der Anhörung wurde auch kurz thematisiert, ob ein IP Asset über seine Lauf-zeit hinaus Gegenstand der Patentbox sein kann. Das erschiene uns bei einem publizierten Schutzrecht nicht OECD-konform. Mit Ablauf der Schutzdauer kann jedermann die ehemals geschützte Lehre frei nacharbeiten. Die erwähnte Ziff. 35 des OECD Berichts3 stellt durchgehend auf die Schutzwirkung ab („protection“, „exclusive control“, etc.). Gerade auch die Tatsache, dass die sogenannten ergänzenden Schutzzertifikate als mögliche Verlängerung dieses Schutzes er-wähnt sind („extend the exclusive right“), verdeutlicht unseres Erachtens klar, dass ein publiziertes Schutzrecht per Ende der Laufzeit nicht mehr Gegenstand der Patentbox sein kann.
3. Der Anteil des Erfolg aus Patenten und vergleichbaren Rechten
Im Rahmen des Art. 24a E-StHG2 wird der Anteil des Erfolgs aus Patenten und vergleichbaren Rechten zu bestimmen sein, der auf den F&E-Aufwendungen beruht. Aus Gründen der Rechts- und Planungssicherheit regen wir eine pragmatische Lösung an. Wenn ein Produkt ein patentgeschütztes Element enthält, so ist der Verkauf des identischen Produkts durch Dritte verunmöglicht. Insofern gibt es gute Gründe für eine pragmatische Lösung, die den Gesamterfolg mit solchen Produkten der Patentbox zugänglich macht. Andernfalls wären aufwändige und in jedem Einzelfall vorzunehmende Gut-achten und Marktstudien erforderlich, deren Ergebnis ohnehin kaum je eindeutig und unanfechtbar wäre. Ein solches System erscheint nicht erstrebenswert.
4. Rückforderungen bei Verlust des Schutzrechts
Aus Gründen der Rechts- und Planungssicherheit insbesondere für KMUs sollte von Rückforderungen bei allfälligem Verlust des Schutzrechts nach Erteilung (beispielsweise in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren) im Grundsatz abgesehen werden. Ausnahmen bei offensichtlichem Missbrauch könnten vorbehalten bleiben.
Es sollte nicht zwingend ein vollgeprüftes Patent vorgesehen werden, um guten Glauben an den Rechtsbestand voraussetzen zu können; das gilt insbesondere für KMUs. Allerdings sollte der Inhaber bei Bestehen eines materiell geprüften Schutzrechts jeden-falls davon ausgehen dürfen, über ein qualifizierendes IP Asset zu verfügen – auch wenn es sich später einmal in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig herausstellen sollte.
5. Territorialität der Schutzwirkung
Es sollte klargestellt werden, welche Folgen es hat, wenn nicht in allen Ländern, in denen ein patentgeschütztes Produkt vertrieben wird, ein entsprechendes Schutzrecht be-steht. Es wird häufig nur in einigen der kommerziell wichtigsten Ländern ein Schutzrecht angestrebt; das verbleibende patentfreie Territorium erscheint für Konkurrenten typischerweise so unattraktiv, dass eine Nutzung durch Dritte auch in diesen Ländern ohne Weiteres unterbleibt. Auch andere Gründe wie beispielsweise sehr langwierige / kosten-intensive Prüfungsverfahren, unzuverlässigere Rechtssysteme etc. spielen bei der Selektion der Länder häufig eine entscheidende Rolle. Vor diesem Hintergrund erachten wir eine territoriale Abgrenzung der Schutzwirkung im Hinblick auf die Vertriebsländer als wenig sinnvoll; darauf sollte verzichtet werden.
Diego Vergani, Membre de la Commission de Droit Suisse